Allrounder Hund

Es gehört schon länger zum guten Ton, dass ein Hund das harmonische Familienleben abrundet. In der Werbung, im Fernsehen wird dies immer wieder suggeriert. Auch in den TV-Formaten scheint es kein Problem zu sein, alles Unerwünschte therapieren zu können. Easy kommt das daher, spätestens am Schluss ist immer alles harmonisch und problemlos. 

Zudem kann man immer wieder lesen dass es sich positiv auf die seelische Entwicklung des Kindes auswirkt, wenn es zusammen mit Haustieren aufwachsen kann.

 

Oft soll ein Haustier für Kinder auch einen Sozialpartner ersetzen. Vom Hund wird erwartet, dass er Spielkamerad und Tröster ist. Er soll das Kind geschützen, gleichzeitig jedoch die Freunde des Kindes problemlos ins Haus lassen. Und sich ihnen gegenüber natürlich freundlich verhalten.

 

Er soll aktiv sein, wenn das Kind spielen möchte und sich ruhig verhalten wenn man gerade keine Zeit hat für ihn. Die Bedürfnisse der Erwachsenen soll er auch erfüllen und nach getaner Arbeit als "Babysitter" Herr Chen beim Joggen und Frau Chen beim Radfahren begleiten. Es wird vorausgesetzt, dass der Hund all diese Aufgaben ohne Probleme von sich aus bewältigt. Als Krönung braucht dann auch der Hund noch sein Hobby und am Dienstag Agility-Training und am Freitag Spurensuche.

 

Als Hund überfordert

Tatsache ist, dass die meisten Hunde diese Anforderungen selbst bei günstigen Voraussetzungen niemals erfüllen können. Ganz einfach weil sie Hunde sind und keine Maschinen. 
Die Haltungsanforderungen, die Hunde stellen wenn es zu einem friedlichen Zusammenleben zwischen Mensch und Hund kommen soll, werden häufig übersehen.

 

Selbstverständlich will ein Hund ausreichend und sinnvoll beschäftigt und auch erzogen werden. All das kostet Zeit und setzt auch entsprechende Kenntnisse zum natürlichen Verhalten des Hundes voraus.

Kinder können diese Aufgabe, wenn überhaupt, nur zu einem geringen Teil und nur unter Anleitung der Eltern übernehmen. Die Kinder im Umgang mit Tieren anzuleiten ist nicht immer einfach. Die meisten Kind-Hund-Probleme resultieren aus der mangelnden Kenntnis der Besitzer im Bereich des Ausdrucks- und Sozialverhaltens von Hunden.

 

Kind und Hund sollten grundsätzlich nur unter Aufsicht von Erwachsenen zusammen sein, damit dieser jederzeit eingreifen kann, wenn es zu kritischen Situationen kommt.  Dabei ist es egal, wie freundliche sich der Hund bisher Kindern gegenüber gezeigt hat. Es kann immer der Moment kommen, wo er einfach genug hat. Auch Tiere haben ihre schlechten Tage. 


Auf Negativbeispiele, die im Web gepostet werden, werden mehrheitlich mit Jö, Süss usw. Kommentare abgegeben. Haarsträubend! Wer die Mimik und Körpersprache des Hundes lesen kann, weiss, dass es gleich knallt wenn der Hund nicht aus der Situation heraus kommt.
Die meisten Beissunfälle passieren in der Famile - warum wohl?

 

So haben sich das die meisten Eltern nicht vorgestellt.

 

Fallbeispiel

Der Hund, 2 Jahre alte Golden Retriver-Hündin, "mag keine Kinder". Obwohl aus guter Zucht (was auch immer darunter zu verstehen ist) und mit Kindern aufgewachsen, wich sie von Anfang an den 8- und 10-jährigen Kindern der Familie aus. Wenn die Kinder sich näherten, fing sie häufig an zu drohen und zog sich dann auf ihren Lieblingsplatz zurück. Sie hatte auch schon mal ein Kind geschnappt als die Eltern sie festhielten, damit sie gestreichelt werden konnte. Dies tat man weil der Hundeausbildner gesagt hatte, dass der Hund sich streicheln lassen müsse. Der Hund verhalte sich den Kindern gegenüber dominant, das könne man nicht durchgehen lassen.

 

Seit dieser Episode - der Hund war für sein Schnappen durch Nackenschütteln bestraft worden - ist das Verhältnis zwischen Hund und Kindern besonders gespannt. 

 

Die Kinder verhalten sich während meines Besuches überaus vernünftig. Sie sind traurig, dass der Hund sie nicht gerne hat, scheinen den Hund jedoch durchaus so zu akzeptieren wie er ist.  Anders sieht es bei den Eltern aus. Sie sind überaus enttäuscht von ihrem Hund. Schliesslich sollte der Hund ein Spielkamerad für ihre Kinder werden. Deshalb hatte man sich genau diese Rasse ausgesucht. Auch die Züchter hatten alle gesagt ihre Hunde seien kinderfreundlich. Man habe schliesslich alles versucht, und nun so eine Enttäuschung!

 

Ausserdem bliebe die ganze Arbeit an der Mutter hängen, da die Kinder nicht mit dem Hund spazieren gehen und ihn bürsten können. Wir erinnern uns, die Kinder sind 8 und 10 Jahre jung.

 

Auf die Frage, ob es sonst noch ein Problem gebe kommt ein klares Nein.

 

Erwachsenen gegenüber verhält sich der Hund freundlich, ist gehorsam und leicht zu führen. Er hat bereits diverse Prüfungen bestanden, oft sogar als Beste. Die Besitzer sind dennoch  nicht imstande, die zahllreichen Charaktereigenschaften ihres Hundes zu würdigen, da er ja seinen eigentlichen Daseinszweck nicht erfüllt. Er ist kein Kumpel für die Kinder. 

 

Das Problem ist in diesem Fall die Erwartungshaltung der Besitzer. Die (menschlichen) Wunschvorstellungen standen bei der Anschaffung des Hundes im Vordergrund. Zu oft stellt sich der zukünftige Hundebesitzer nicht die Frage, ob seine Ansprüche und Erwartungen an den Hund tatsächlich realistisch sind, oder ob er die Ansprüche und Bedürfnisse des Hundes erfüllen kann. Hunde sind Individuen und nicht jeder Hund muss Kinder lieben.